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Eifelgemeinde mit Herz
Birresborner Pfarrer beim Abschied: „Wenn ich alles geahnt und gewusst hätte, was auf mich zukommt – oh weh, oh weh!“
Birresborn Nach 42 Jahren im Priesteramt ist Gerhard Schwan in den Ruhestand verabschiedet worden. Der langjährige Pfarrer im Gerolsteiner Land spricht im TV-Interview zum Abschied Klartext über seine eigenen Zweifel, die Rolle der Frau in der Kirche und den Zölibat.
Wer wie Gerhard Schwan 42 Jahre Priester ist und auf sein Berufsleben zurückblickt, hat viel zu erzählen. Der gebürtige Saarländer stellte sich den Fragen unserer Zeitung.
Wann war für Sie klar, dass Sie Priester werden, und woran haben Sie gemerkt, dass es Ihr Weg ist?
Gerhard Schwan: „Priester wollte ich schon früh werden, da mein Onkel auch Priester war und mich sehr beeindruckt hat bis zum heutigen Tag. Das Messdienersein und schöne Momente bei den liturgischen Feiern verstärkten den Wunsch.“
Gab es auf diesem Weg eine Prüfung, wie haben Sie diese gemeistert. Würden Sie rückblickend diesen Weg noch einmal einschlagen?
Schwan „Prüfungen kamen während des Studiums durch heftige Infragestellungen des Glaubens und der Existenz Gottes. Zweifeln gehört zum Glauben wie die Vorder- und die Rückseite einer Münze. Das half mir zum ,Durchglauben’ durch alle Zweifel. Noch mal Priester werden? Ja! Doch nicht mehr so naiv und unbedarft. Wenn ich vor 42 Jahren alles geahnt und gewusst hätte, was auf mich zukommt … o weh, o weh! Mit Zittern und Zagen hätte ich mein ,adsum – hier bin ich, sende mich’ gegeben.“
Was hat sich während Ihres Priesterlebens vor Ort am meisten verändert?
Schwan: „Alles wandelt sich, alles ist im Fluss. Nichts bleibt, wie es ist, nichts wird sein, wie es war. Mangel an Ressourcen in Form von Personal und Geld zwingt die Bistumsleitungen zu kreativen Denkprozessen, wie sie während der Trierer Synode eingeschlagen wurden. Doch diese müssen noch bei den Pfarrgemeinden ankommen und Früchte bringen.“
Was müsste sich Ihrer Meinung nach in der Kirche ändern, damit diese lebendig bleibt?
Schwan: „Kirche muss an Haupt und Gliedern Jesus ähnlicher, echter werden. Der Mensch muss in den Mittelpunkt rücken, nicht das Überleben der kirchlichen Strukturen und Machtverhältnisse. Mit Laienpriestern und der Rolle der Frau als Amtsträgerin haben sich schon viele die Zähne ausgebissen, und viele tun es noch. Von Rom aus gesehen ist Deutschland immer noch das Land der Reformation Luthers. Dort befürchtet man eine neue Spaltung durch die uns hier bedrängenden Fragen. Diese sehen in anderen Erdteilen anders aus, zum Beispiel in Südamerika, wo Laien Gemeindeleiter sind. Leider hat die Amazonaskonferenz keinen Durchbruch gebracht. Noch nicht mal das Diakonat für die Frau ist ernsthaft erwogen. Was die Themen Missbrauch und Zölibat angeht, bin ich bei dem Hildesheimer Bischof Heiner Wilmer, der sagte, der Missbrauch gehöre zur DNA der Kirche. Ich verstehe diesen Satz so, dass die Lebensform des Pflichtzölibats seltsame, bizarre und unsägliche Konsequenzen mit sich bringt. Das hat mit der sozialen und sexuellen Einsamkeit von Priestern zu tun, die die Folge von Zölibat ist. Der Pflichtzölibat gehört meines Erachtens auf den Abfallhaufen der Geschichte.“
Was gehört zu Ihren schönsten beziehungsweise traurigsten Erlebnissen?
Schwan: „Die Begleitung der Menschen an den Wendepunkten ihres Lebens von der Wiege bis zur Bahre bringt es mit sich, dass nicht selten schlimme Schicksale seelsorglich begleitet werden. Früher Kindstod oder tragische Unglücksfälle sind der Supergau. Suizid und Sterben zur Unzeit bringen mich an den Rand des Haderns und Ringens mit Gott. Zu den schönen Erlebnissen gehören die Feiern zu meinem Silbernen Priesterjubiläum 2004 und meines Goldenen Erstkommunionjubiläums 2009. Kirche kann feiern. Der 2014 verstorbene Berthold Schäfer, einer unserer Subregenten im Trierer Priesterseminar (stellvertretender Leiter, Anmerkung der Redaktion), pflegte nach feierlichen Gottesdiensten zu sagen: ,Es ist eine Lust, katholisch zu sein!’ Zu den schönsten Erlebnissen gehören auch die seit 20 Jahren immer dichter werdenden Beziehungen nach Indien, wo durch Fügung von oben das Kinderheim St. Luzia entstand. Viele Menschen helfen, damit Mädchen eine Perspektive haben. Im Laufe der Jahre durfte ich mit einem Team acht Mal dorthin reisen und den Menschen Freude bringen und selbst froh sein.“
Weshalb, glauben Sie, kehren immer mehr Menschen der Kirche den Rücken?
Schwan: „Jeder Austritt aus der Kirche trifft mich. Besonders, wenn ich den Menschen seit Jahrzehnten kenne und schon viel und oft mit ihm zu tun gehabt hatte. Doch der Mainstream ist nicht aufzuhalten. Die Skandale und ihre dilettantische Bearbeitung, bedacht auf das Ansehen der Kirche, nicht auf das Leiden der Opfer, geben vielen, die eh auf der Kippe stehen, den Rest. Doch auch viele ernsthaft Suchende und auch Engagierte kehren ihrer doch auch lieb gewordenen Kirche den Rücken, weil sie sich an Themen wie Zölibat, Missbrauch, Frauenpriestertum, Pfarreienreform die Zähne ausgebissen haben. Dass Kirche zu wenig ihre guten Seiten herausstellt, zu wenig Werbung mit dem macht, was gut läuft, nicht mit dem ankommt, bei denen sie ankommen will, ist ihre eigene ,Schuld’.“
Was kann Kirche Menschen geben?
Schwan: „Kirche kann im Dienst am Wort Gottes und in der Spendung der Sakramente Halt und Hilfe, Orientierung und Wegweisung geben, gleichsam wie ein Leuchtturm. Das im Gottesdienst erlebte gemeinsame Singen und Beten, das Hören auf die Frohe Botschaft, das Feiern von Festen und das gemeinsame Unterwegssein stiften Zusammenhalt und lässt Hoffnungen und Freuden teilen.“
Quelle: https://www.volksfreund.de/region/vulkaneifel/deutliche-worte-von-pfarrer-gerhard-schwan-in-birresborn-zum-abschied_aid-61694479
Datum | 21.07.2021 |
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Quelle | Quelle: Trierischer Volksfreund |
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