Hier leben ist wie Urlaub machen...
Eifelgemeinde mit Herz
Tom Clemens will mit seinem BMX-Rad zu den Olympischen Spielen in Paris. Schwierig, aber nicht unmöglich, sagt der 18-Jährige.
Durch seinen Sport bringt er internationale Athleten ins 1300-Seelen-Dorf Birresborn. Denn Leistungssport ist in der Eifel Familiensache. Ein Besuch.
Tom Clemens ist derweil auf der Suche nach etwas anderem, die perfekte Minute ist sein Ziel. So lange dauert ein Lauf, in dem er seine Tricks und Kunst- stücke zeigen kann. Bei der Weltmeis- terschaft 2023 in Glasgow war er nah dran an seiner Idealvorstellung. „Da hat alles geklappt“, sagt der 18-Jähri- ge. „Ich will den besten Lauf zeigen, der möglich ist. Wo ich lande, ist zweitrangig. Ich muss für mich zufrie- den sein, dann ist gut.“ Bei der WM kam er auf Platz 16.
Sein Programm arbeitet Clemens in den Tagen vor dem Wettkampf aus, kurz vor dem Start geht er es in Gedan- ken noch einmal durch. „Was im Training funktioniert, geht auch im Wettkampf“, sagt er. Und wenn er sich ganz sicher auf dem Rad fühlt, zeigt er auch den sogenannten Ice Pick. Dabei fährt er die höchste Rampe des Parcours hinauf, um dann kurz auf einer an der Nabe des Hinterrads befestigten Stan- ge zu verweilen. „Den Trick machen nur wenige im Wettbewerb, weil das Risiko recht hoch ist“, sagt Clemens. „Es gibt viele Punkte, aber es hat auch immer was mit Überwindung zu tun, sich es zu trauen.“ Wenn der Ice Pick gelingt, sind auch die Kommentatoren begeistert. Stolz zeigt Vater Guido ein Video auf seinem Handy. Während BMX in Deutschland sein Dasein in der Nische fristet, werden die Meister- schaften anderswo im Fernsehen übertragen. In Deutschland kommen 100 Zuschauer, in den USA oder in Frankreich Zehntausende.
Ein wenig mehr Aufmerksamkeit er- fuhr BMX bei den „Finals“ im vergan- genen Jahr, als 18 Sportarten gemein- sam ihre Deutschen Meisterschaften ausrichteten. Clemens wurde Dritter, nun will er das Ticket für Olympia in Paris, bei den Qualifikationswett- kämpfen starten zwei Deutsche.
„Olympische Spiele sind auch für uns das Größte“, sagt Clemens. Zu- mindest für die BMX-Freestyler, die Wettbewerbe fahren. Andere fragen indes, wie man Freestyle derart vermarkten könne, das würde dem Grundsatz des Sports widersprechen. Ähnliche Diskussionen gibt es auch beim Snowboarden. Trendsportarten haben es nicht leicht, wenn sie ins Olympische Programm aufgenommen werden. Umgekehrt sträuben sich manche Olympia-Traditionalisten, ih- ren Blick auf Sportarten abseits der Kerndisziplinen zu weiten.
Die aktuelle Generation der BMX- Fahrer aber habe den Leistungsgedan- ken komplett verinnerlicht, ist Cle- mens überzeugt. In Tokio wurde der Park vorab gezeigt. In England und Australien haben sie ihn vor den Olympischen Spielen exakt nachge- baut, um zu trainieren. Mit Erfolg: Bei den Männern gewann ein Australier, bei den Frauen eine Britin. Um das zu verhindern, wird der Parcours von Pa- ris geheim gehalten. Gefahren wird auf dem Place de la Concorde rund um den berühmten Obelisken.
Obwohl Tom Clemens auf dem Weg zum Profi ist, geht es ihm vor allem um den Spaß am Sport. „Ich will auch nur das Beste für die anderen. Ich will die durchkommen sehen“, sagt er. Stürze und blaue Flecken gehören zwar dazu. „Aber es ist nie geil, wenn einer sich hinlegt. Es sind Freunde, das will man einfach nicht sehen.“ Drei Brüche hat er sich selbst in neun Jahren zugezo- gen – Ellbogen, Sprunggelenk, Mittel- fuß. „Das ist überschaubar, könnte schlimmer sein“, sagt er.
Im Training geht der 18-Jährige nie volles Risiko, ganz gleich ob in den USA oder in Eindhoven, wohin er übers Wochenende ausweicht, bis die neue Halle in seinem Heimatort fertig ist. Im Herbst soll es soweit sein, der Vater verspricht internationale Stan- dards. „Eine kleine Halle haben wir. Das brauchen wir nicht mehr“, sagt Guido Clemens, als er den Rohbau er- neut mit seinen Blicken abtastet. „Das wird eine der Top-Trainingshallen in Deutschland.“ Damit sein Sohn nicht mehr an Kalifornien denken muss – sondern Birresborn weiter in die BMX- Welt tragen kann.
Datum | 27.04.2024 |
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Quelle | Sven Wenzel, via Guido Clemens |
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