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Birresborn

Eifelgemeinde mit Herz

Sonstiges

Reisen auf Kunststraßen

Straßenbau in der Region als Mittel preußischer Wirtschaftspolitik


Die Reise von Prüm nach Berlin, die Landrat Georg Bärsch im Herbst 1826 unternahm, war beschwerlich und er benötigte dafür 23 Tage. Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts gab es im Regierungsbezirk Trier noch keine Eisenbahn, und Dampfschiffe, mit denen man von Trier bis Koblenz hätte fahren können, wurden erst 1839 eingesetzt. So musste er sich eine Kutsche mit einem Hauderer mieten und dafür die nicht unerhebliche Summe von 145 Thalern an Fuhrlohn entrichten, viereinhalb Thaler für jeden Reisetag und drei Thaler für jeden Ruhetag.
Ohne Ruhetage war eine längere Reise jedoch nicht zu bewältigen, denn der Zustand der Straßen war denkbar schlecht und machte sie im Winter vielerorts unpassierbar. Im Prümer Land gab es fünf Gasthöfe "für Fremde aus gebildeten Ständen", und bei Salzburger in Balesfeld, Kyndts in Schönecken, Koch in Prüm, Schmitz in Dasburg und Held in Ormont konnte sich der Reisende von den Strapazen zwischenzeitlich erholen.

Prümer Landrat tritt für Verbesserung der Wege ein

Georg Bärsch hingegen musste seine Reise schon gleich zu Beginn zwischen Gerolstein und Mayen unfreiwillig unterbrechen, denn sein Wagen blieb bei Boos liegen und er war froh, von dem dortigen Pastor Metz ein Nachtquartier angeboten zu bekommen. Dabei hatte sich Bärsch schon seit Beginn seiner Tätigkeit als königlicher Landrat in Prüm für die Verbesserung der Wege und Straßen in der Eifel eingesetzt. Beim Besuch des preußischen Handelsministers Graf von Bülow im September 1820 in Prüm hatte Bärsch um Unterstützung geworben für seinen Plan, eine chaussierte Kreisstraße von Balesfeld nach Prüm und weiter über Bleialf nach Aachen und eine über Stadtkyll nach Köln anlegen zu können.

Seine Bemühungen blieben nicht ohne Erfolg, und schon im folgenden Jahr erhielt er von der Regierung in Trier zu diesem Zweck "bedeutende Geldunterstützungen". Diese konnten nun dazu verwendet werden, in der Region mit dem systematischen Ausbau der chaussierten Straßen, den so genannten Kunststraßen, zu beginnen. Eine Kunststraße besaß eine unten liegende 12 bis 15 Zentimeter starke Bruchsteinschicht, über die eine 15 Zentimeter starke Grobschotterlage aufgetragen war. Den Abschluss bildete eine etwa acht Zentimeter dicke Feinschotter- und Sandschicht.

Zu Beginn der preußischen Regierungstätigkeit im Jahre 1815 waren im gesamten Regierungsbezirk Trier erst 150 Kilometer solcher Straßen ausgebaut. Ein Umstand, der insbesondere aus dem späten Beginn der Straßenbaumaßnahmen während der Franzosenzeit resultierte. So gab es insgesamt nur vier Staatsstraßen, die noch dazu durch die darüber hinweggegangenen Heereszüge in einem teilweise sehr schlechten Zustand waren. Die Strecke von Paris nach Mainz über Metz, Saarbrücken und Kreuznach und die von Paris nach Koblenz über Diedenhofen und Trier wurden dabei ausschließlich vom Staat unterhalten, während die Verantwortlichkeit für die Strecke Straßburg - Lüttich über Saarbrücken, Trier und Prüm und die Verbindung Trier - Bingen - Mainz zum Teil bei den Departements lag.

Trotz ihrer schlechten finanziellen Situation als Folge der Befreiungskriege war der Ausbau des Straßennetzes von der preußischen Regierung von Anbeginn zum vorrangigen Ziel erklärt worden. Die wirtschaftliche Erschließung von Regionen wie der Eifel oder der Abtransport von Rohstoffen wie der Steinkohle aus dem Saarkohlebecken waren Aspekte dieser Strukturmaßnahme. Die Anbindung an das europäische Fernstraßennetz und die Schaffung neuer Wege ermöglichte darüber hinaus den Absatz der Landesprodukte und eine Intensivierung des Handels.

Doch auch die Sicherstellung des militärischen Schutzes der Rheinlande gegen Frankreich, dessen sich Preußen im Wiener Kongress angenommen hatte, erforderte für den Fall einer militärischen Intervention befestigte Straßen zu den Festungen in Saarlouis und Luxemburg. In Trier allein waren im Jahr 1815 verschiedene Bataillone und Regimenter mit einer Gesamtstärke von 2 500 Mann stationiert und man hatte beispielsweise die Bezirksstraße von Trier über Saarburg nach Saarlouis durch ihre strategische Bedeutung der Militärverwaltung unterstellt.

Insgesamt war bis 1870 ein Netz von 14 Staatsstraßen mit einer Länge von 450 km, 37 Bezirkstraßen mit 870 km Länge, 22 Gemeindestraßen mit 105 km und vier Prämienstraßen mit 54 km Länge angelegt worden. Diese umfangreichen Projekte waren durch eine unterschiedliche Finanzierung bewerkstelligt worden. So diente eine zehneinhalb- prozentige Zulage auf die Grundsteuer für die Baumaßnahmen bei den Bezirksstraßen, während beispielsweise die Möglichkeit der Erhebung von Wegegeld den Bau von Prämienstraßen durch Gemeinden oder Privatpersonen fördern sollten.

Die öffentliche Ausschreibung der Straßenbaumaßnahmen in den "Prümer gemeinnützigen Blättern" sollte hierbei den Wettbewerb fördern, und regelmäßig wurde über die geplanten oder schon realisierten Arbeiten berichtet und die Einwohner über den Stand des Ausbaus informiert. So konnte für den 21. April 1823 vermeldet werden: "Neue Pflasteranlagen wurden gemacht, auf der Coblenzer Departemental-Straße, zu Büdesheim, 110 Ruthen; auf der Cölner, in Olzheim, 54 Ruthen; auf der Luxemburger, in Lünebach, 89 Ruthen, in Niederprüm, 82 Ruthen…. Auch auf den Gemeindewegen wurde fleißig gearbeitet. Die Gemeinde Birresborn legte einen kunstmäßig gearbeiteten Weg, von Birresborn bis zum Mineralbrunnen, in einer Länge von 380 Ruthen an, der beinahe vollendet ist." Letztere Straßenbaumaßnahme stand im Zusammenhang mit der Bedeutung, die der Quelle "wegen ihrer wohlthätigen Wirkungen und wegen des Rufes, den sie seit beinahe einem Jahrhundert behauptet", seitens des Staates entgegen gebracht wurde. So war in der Ausgabe vom 12. Januar 1824 in den "Prümer gemeinnützigen Blättern" zu lesen: "Von dem Sauerwasser von dem Mineralbrunnen zu Birresborn wurden 150 Krüge nach Prüm und 450 Krüge nach Trier abgesetzt. Der Tod des Herrn Hofraths Dr. Hett in Trier mögte wohl den Absatz des Birresborner Mineralwassers vermindern, denn er hielt ganz vorzüglich viel auf dieses Wasser, empfahl seinen Kranken den Gebrauch desselben und bewirkte dadurch einen bedeutenden Absatz."

Neben den Arbeiten, die von obrigkeitsstaatlicher Seite zur Instandsetzung der Straßen zugeteilt wurden, gab es jedoch auch vielfach Eigeninitiative in den Gemeinden, um den Zustand der Verkehrswege zu verbessern. Im August 1824 konnte beispielsweise von der Gemeinde Oberlascheid berichtet werden, dass diese "eine hölzerne Flussbrücke unterhalb des Ortes aus freiem Antriebe und ohne Kostenansatz gemacht [hat]." Ebenso war man entschlossen, den schlechten Wegezustand durch neue Verfahren, wie dem Anlegen einer "lebendigen Straße", zu beseitigen. Der Bürgermeister Thommes von Sewenich ließ im Oktober 1823 mitteilen, dass er den Bau einer solchen Straße durch den Wald Wehrbüsch beabsichtige. Die Grundlage einer "lebendigen Straße" bildete ein konvex abgeglichener Fahrdamm, der, aus dem Erdreich erhöht, mit Ästen und Zweigen von Weidenbäumen belegt wurde. Abschließend trug man Schichten von Erdreich, Schotter und Sand auf. Durch das Austreiben der Weidenbettung sollte sich nach wenigen Jahren eine "dichte undurchdringbare stets vegetierende Grundfeste [entwickeln], worüber, bei einigermaßen sorgsamer Unterhaltung der Oberdecke, alles Fuhrwerk leicht und gemächlich hinwegrollet und worauf selbst Lastwagen, da diese lebendige Grundfeste so zu sagen elastisch wird, nie ein tiefes Geleise oder sonstige Eindrücke zurücklassen." (jöl/mjg)

(Erklärung: 1 Ruthe = 3,766m; 1 Thaler = 300 Pf. Der Tageslohn eines einfachen Landarbeiters betrug 100 Pf.) Birgit Nolte-Schuster


Kontext
Datum 18.07.2003
Quelle Quelle: Trierischer Volksfreund
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